Komitee für Igelschutz e4.V. Hamburg

Gemeinnütziger Verein
für Tier- Arten und Umweltschutz

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Schaden und Nutzen von Fliegenmaden - Igel - Journal Nr. 18
Bericht von Dr. med.vet. Thomas Bücher
Bei den an Igeln aufgefundenen, durchweg schädigenden Fliegenmaden, handelt es sich in der Regel um die Larven der metallisch-grünblauen Schmeiß- oder Goldfliege Lucilia sericata (MEIGEN, 1826) aus der Familie Calliphoridae. Zusätzlich, aber deutlich seltener kommen Fleischfliegen (Sarcophaga) in Betracht. Goldfliegen werden 5 - 11 mm groß und sind weltweit verbreitet.

Als Brutmedium dient ihren Larven (Maden) tierisches Eiweiß. Die Eier werden in Schüben von 200 Stück an Kadavern und Fleisch sowie an Wunden, Mund-, Nasen-, Afteröffnung und in den Beinbeugen lebender Wirte abgelegt. Geschlüpfte Maden werden dann in Bohrkanälen der Wunde angetroffen. Sie schädigen durch ihre Sekrete nicht nur krankes Gewebe, von dem sie sich ernähren, sondern auch gesundes. Oft sind sie auch im Bereich des äußeren Gehörganges lokalisiert, ohne dass Wunden vorhanden sind. Es besteht allerdings die Gefahr einer Mittelohrentzündung.

Ein Fliegenweibchen legt bis zu 3000 Eier. Die Larvenentwicklung dauert mit 3 Häutungen 5 - 11 Tage, die Puppenruhe am Boden bei 12oC 18-24 Tage. Bereits 5 Tage nach der Metamorphose beginnt ein Weibchen mit der Eiablage. Oft wird die Krankheit durch bakterielle Sekundärinfektionen verschlimmert oder eine Heilung durch ständigen Juckreiz mit Kratzen erreichbarer Stellen verhindert. Zudem kann es zu schweren Eiterungsprozessen kommen.

Ohne Behandlung kann die Myiasis (Madenfraß) bei längerer Dauer infolge allgemeiner Schwäche zum Tode führen.Eine Behandlung richtet sich dabei nach der Befallsstärke. In jedem Fall sind die Maden mechanisch zu entfernen, die Wunden zu reinigen und mit einem Antibiotikum zu behandeln. Die Maden lassen sich auch aus tiefen Wunden und den Ohren hervorlocken, wenn man die betroffene Stelle mit Ivomeclösung 1:30, 30%tigem Ethanol oder 3%igen H2O2 betupft bzw. mit einem Antibiotikum-Spray besprüht. Auch tote Maden müssen unbedingt aus den Körperöffnungen entfernt werden.
Bei geschwächten Tieren ist eine das Allgemeinbefinden stärkende Therapie einzuleiten. Kontaktinsektizide sollen auch nur bei kleinen Hautwunden angewendet werden.
Außer bei Igeln ist die Myiasis auch bei Hunden und Katzen, bei Wiederkäuern (Schafen) und beim Wild von Bedeutung.

Fliegenmaden haben aber nicht zwangsläufig nur schädigende Wirkung. In der Humanmedizin unter kontrollierten Bedingungen zum Einsatz gebracht, vermögen sie im Rahmen der biochirurgischen Therapie von Problemwunden entscheidende Fortscritte zu erzielen. Die Erfolge sind so gut, dass in Deutschland inzwischen über 800 Krankenhäuser mit Lucilia sericata Fliegenmaden arbeiten. Sie werden von der Biomone GmbH & Co. KG in einer neu erbauten Produktionsanlage in Barsbüttel (Schleswig-Holstein) gezüchtet und haben den Status eines Rezepturarzneimittels. Ihre Keimfreiheit dient als eines der verlangten Qualitätskriterien. So gezüchtete Fliegenmaden sind im 2. Larvenstadium entweder als "Freiläufer" oder fest verschweißt in einer Gazetasche ("Biobag") erhältlich.

Eine besondere Bedeutung kommt den Fliegenmaden auch noch in der Forensischen Entomologie zur Datierung des exakten Todeszeitpunktes nicht indentifizierter Leichen zu. Dieses Aufgabenfeld des weltweiten Spezialisten und Kölner Kriminalbiologen Mark Benecke besteht darin, aus Maden, Würmern und anderen Krabbeltieren versteckte punktuelle Informationen herauszulesen, um somit ungelöste Kriminalfälle aufklären zu helfen. Denn anhand der Insekten-Besiedelung in und an einer Leiche lässt sich deren Todeszeitpunkt präzise oft auf den Tag genau eingrenzen. Dabei stellen die Fliegen und hauptsächlich ihre Maden regelrecht eine "lebende Uhr" dar. Denn sie besiedeln in der Regel die Kadaver artgerecht in zeitlich gestaffelten Wellen und unterschiedlichen Phasen. Aus dem Besiedelungsmuster sowie der Larvengröße kann dann der Experte die sogenannte Liegezeit der Leiche an einem Ört oder die gesamte seit der Insektenbesiedelung abschätzen.

Die Artbestimmung vor allem der Fliegen erfolgt dann mittels Bestimmungsschlüssel, wobei auch rasterelektronenmikroskopische Fotos und genetische Fingerabdrücke (DNS-Typisierung) als ergänzende Maßnahmen zum Einsatz kommen.