Komitee für Igelschutz e.V. Hamburg
Gemeinnütziger Verein
für Tier- Arten- und Umweltschutz

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Laufkäfer - ein gefundenes Fressen für den Igel
Igel - Journal Nr. 16

von Diplom Biologe Wolfgang Hohner, Staatliches Museum für Naturkunde Karlsruhe, Abt. Entomologie

Für unseren einheimischen Igel (Erinaceus europaeus) sind Insekten eine willkommene Bereicherung seiner Speisekarte. Der zu den Insektivoren zählende Allesfresser durchstreift bei seinen nächtlichen Streifzügen mehrere Hektar Gelände. Dieses beschränkt sich nicht nur auf die heimischen Gartenanlagen, sondern vornehmlich auf die umgebende Feldflur. Hierbei hat er es hauptsächlich auf Würmer und Insekten abgesehen. Zu den bevorzugten Arthropodengruppen zählen neben Ohrwürmern, Tausendfüßlern und Schmetterlingslarven auch die Käfer. Also Tiere, die sich tagsüber gerne im Boden oder Dickicht aufhalten und erst bei Dämmerung zur Nahrungssuche aus ihren Verstecken hervorkommen.

Dabei stellen sie für den Igel eine leicht zu erreichende Beute dar. Laufkäfer haben für den Igel gegenüber anderen Käferfamilien den Vorteil, dass die meisten Arten nicht oder nur bedingt flugfähig sind. Darüber hinaus stellen sie nach den Kurzflüglern (Staphiliniden) und Rüsselkäfern (Curculioniden) die artenreichste Familie in unseren Breiten. Sie sind größtenteils überregional vertreten und nicht unbedingt an ein Biotop gebunden. Zwar gibt es hierbei auch Spezialisten, die z.B. nur in Sumpfgebieten oder im Moor vorkommen, aber es ist nicht ausgeschlossen, dass eine Käferart, die den Wald bevorzugte, nicht auch in der umliegenden Feldflur anzutreffen ist. Auch ihre stattliche Körpergröße von bis zu 40 mm machen Laufkäfer zu einem willkommenen Happen für den Igel. Zwar gibt es unter ihnen einige auffallend bunt schillernde Arten wie z.B. den Goldlaufkäfer (Carabus auratus), doch überwiegend sind ihre Vertreter dunkle bis schwarzfarbene Arten. Dieses spricht für ihre nächtliche Aktivität, die sie mit Igeln gemeinsam haben.

Laufkäfer sind überwiegend Räuber (Praedatoren) und meist auf eine bestimmte Nahrung spezialisiert.

Alle Carabus-Arten fressen z.B. bevorzugt Schnecken und Regenwürmer, während Calosoma (Puppenräuber) hauptsächlich Schmetterlingslarven verzehren.
Harpalus affinis (Kanalkäfer) hingegen ist ein reiner Pflanzenfresser. Mit ihren verhältnismäßig großen Mundwerkzeugen (Mandibeln) sind sie in der Lage, täglich eine Menge zu vertilgen, die ihrem eigenen Körpergewicht entspricht. Die großen Mandibeln dienen den Käfern nicht nur zur Nahrungsaufnahme, sondern werden auch zu Verteidigungszwecken eingesetzt. Als besonderer Schutz vor Angreifern dient den Laufkäfern das Sekret aus der Pygiadialdrüse, das aus Buttersäure, Ameisensäure, Chinon oder ähnlichen Substanzen bestehen kann.

Einen weiteren Verteidigungsmechanismus haben die zur Gattung Brachinius gehörigen Bombardierkäfer entwickelt. Sie können mit ihrem Hinterleib ein bis zu 100 Grad heißes Gas aus Hydrochinon und Wasserstoffperoxid dem Angreifer entgegen schleudern.

All das scheint den Igel nicht sonderlich bei der Nahrungsaufnahme zu beeindrucken. Weit interessanter für ihn ist wahrscheinlich die Tatsache der direkten Erreichbarkeit seiner Beute. So haben Untersuchungen des Mageninhalts gezeigt, dass der Igel bei weitem mehr adulte (ausgewachsene) Käfer frisst als deren Larven. Dieses Ergebnis mag auf den ersten Blick überraschen, wenn man bedenkt, dass eine Käferlarve wohl proteeinhaltiger ist als die entsprechenden adulti. Auch fehlen den Larven das harte umgebende Chitinaußenskelett. Dafür allerdings muß der Igel lange in der Erde wühlen, um die Käferlarven aufzuspüren. Außerdem sind für ihn die meisten mit Mulm gefüllten Baumhöhlungen, in denen die Käferlarven heranwachsen, unerreichbar.

Bei den für den Igel interesanten Laufkäfern handelt es sich vorwiegend um Vertreter der Gattungen Carabus und Pterostichus, also Arten, die zumeist groß sind und auch häufig in den bevorzugten Lebensräumen vorkommen.. Andere wie z.B. Amara, Bembidion und Harpalus spielen deshalb als Nahrungsquelle eine nicht so bedeutende Rolle.

Die Bestände, die Häufigkeit und das Artenvorkommen der Laufkäfer sind bei uns vielerorts untersucht und bekannt. Zwar nehmen die gefährdeten Arten an ökologischen Extremstandorten wie z.B. im Hochgebirge, Sumpf und Moor sowie in Küstenbiotopen und Trocken- bzw. Halbtrockenrasen ständig zu, doch steht dieser Anstieg in keinster Weise dort mit der geringeren Häufigkeit unserer Igel in Zusammenhang. Man könnte eher annehmen, dass aufgrund der quantitativen Ausdünnung der Nahrungstiere die Attraktivität solcher Gebiete für den Igel stark zurück gegangen war.