Komitee für Igelschutz e4.V. Hamburg

Gemeinnütziger Verein
für Tier- Arten und Umweltschutz

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Giardien - Igel - Journal Nr. 15
Fragen an den Tierarzt:

PD Dr. Dr. habil Dieter Barutzki
Fachtierarzt für Parasitologie - Tierärztliches Labor Freiburg i.Br.
beantwortet Ihre speziellen Fragen:

Frau Roswitha Meier, Hamburg:

Bei Kotuntersuchungen habe ich vermehrt Giardien beim Igel festgestellt und habe dazu folgende Fragen:

  1. Wodurch werden Giardien auf den Igel übertragen ?
  2. Ist die Ansteckung in der Natur durch Hundekot möglich ?
  3. Wie wirken sich Giardien im Körper des Igels aus ? Sind sie für ihn gefährlich ?
  4. Wie hoch ist nach Ihren Erkenntnissen die Befallsquote ?
  5. Welche Behandlung können Sie empfehlen ?

Dr. Dr. Dieter Barutzki :

Die Giardien sind mit Geißeln ausgestattete Einzeller, die überwiegend im Dünndarm zahlreicher Wirbeltierarten und des Menschen schmarotzen. Aus zahlreichen Untersuchungen ist abzuleiten, dass Giardien ein breites Wirtsspektrum haben und für den Menschen als Zoonoseerreger *) von Bedeutung sind. Diese Parasiten sind weltweit verbreitet, wobei aber die Vorkommenshäufigkeit der Giardien bei den einzelnen Tierarten erheblich variiert. So wurden in Untersuchungen zur Befallshäufigkeit bei Hunden in Deutschland hohe Befallsraten von ca. 16 % festgestellt. Junge Hunde waren sogar noch häufiger mit Giardien infiziert.

*) Zoonose : Verschiedene Infektionskrankheiten, die von Tieren auf Menschen übertragen werden können.

Zu den Fragen:

  1. Die Infektion von Wirbeltieren und damit auch des Igels erfolgt direkt durch die Aufnahme von Zysten aus der kontaminierten Umwelt über das Futter. Als Infektionsquelle kommt neben fäkal-oralen Schmierinfektionen auch mit Zysten verunreinigtes Wasser in Betracht.
  2. Die Ansteckung ist in freier Wildbahn über jeden Kot möglich, der von einem infizierten Tier ausgeschieden wird, also auch durch Hundekot.
  3. Untersuchungen über die klinische Bedeutung von Giardien beim Igel stehen nicht zur Verfügung. Über das klinische Bild beim Hund und anderen Tieren liegen teilweise unterschiedliche oder sogar widersprüchliche Ergebnisse vor. Danach führen Giardien vor allen bei Welpen zu Durchfällen unterschiedlicher Intensität begleitet von fettigem Kot, mangelnde Nahrungsausnutzung und Appetitlosigkeit. Als Folge eines chronischen Befalls mit Giardien bei Jungtieren stehen Gewichtsverlust und Kümmern der Tiere im Vordergrund. Erwachsene Tiere zeigen nur selten Krankheitssymptome. Diese Beobachrungen gelten wahrscheinlich auch für Igel.
  4. Eine Verbindung zwischen dem Rennersyndrom beim Igel und dem Befall mit Giardien ist nicht bekannt.
  5. Bei Igeln wurde nur sehr selten eine Infektion mit Giardien festgestellt. Parasitologische Untersuchungen von insgesamt 1720 Igelkotproben aus den Jahren 1986 bis 1990 ergaben lediglich bei 9 Tieren einen Befall mit Giardien. Allerdings wurden in diesen Untersuchungen keine Jungigel einbezogen.
  6. Therapeutisch werden zur Behandlung eines Giardienbefalls bei Nagern verschiedene Medikamente aus der Nitroimidazol-Gruppe empfohlen, die über das Trinkwasser oder als Tablette mehrere Tage verabreicht werden müssen. Allerdings sind Nebenwirkungen beim Einsatz dieser Medikamente zu befürchten, so dass vor einer Behandlung zuerst die genaue Diagnose festehen muss und dann stets eine Tierärztin oder ein Tierarzt einzuschalten ist.

Giardien auch beim Igel ?

Erfahrungsbericht von Roswitha Meier, Igelstation in Hamburg

Den Befall von Giardien bei meinen Igeln stellte ich hauptsächlich bei geschwächten Tieren fest. Igel, die ich parasitär behandelt hatte, zeigten trotzdem das Rennersyndrom. Sie waren sehr unruhig, rannten hin und her, zeigten sogar durch Haarrisse an den Pfotensohlen Blutspuren auf dem ausgelegten Zeitungspapier und hatten ständig Heu in der Schnauze.

Kranke Igel überhaupt neigen zur Beißerei oder springen hoch, wenn sie berührt werden, sind eben abwehrend.

Da ich den Kot selbst auf Parasiten untersuchte, fand ich heraus, dass von 10 Igeln 4 befallen waren. Ich habe sie auf Empfehlung meines Tierarztes mit Panacur-Tabletten behandelt. Die Kur dauerte 3 Tage und nach 7 Tagen Pause wurde die Medikamentengabe über den Zeitraum von 3 Tagen wiederholt. Danach waren die Igel die Ruhe selbst und nahmen kontinuierlich zu.

Der Kot zur Untersuchung muss ganz frisch sein, weil die Giardien schon nach 24 Stunden absterben.

Giardien

Kleine Gespenster im Darm

Frau Roswitha Meier, Igelstation in Hamburg, berichtete uns am 18.02.2002, dass sie bei dem Kotuntersuchungen Giardien bei ihren Igeln festgestellt hat. Die Parasiten zeigten im Mikroskop schnelle Bewegungen. Siehe hierzu ihren Bericht. Uns interessierte nun, was Giardien sind und ob sie dem Igel gefährlich werden können.

Wir bemühten uns, Literatur zu diesem Thema zu bekommen, und das war nicht ganz einfach. Frau Dora Lambert vom Arbeitskreis Igelschutz Berlin e.V. und Herr Dr. Thomas Bücher halfen uns dabei. In Meyers Lexikon und im Psychembrel (Klinisches Wörterbuch) fanden wir zunächst, dass es sich hierbei um Parasiten handelt, die den Dünndarm befallen. Es können Menschen, aber auch Tiere (Affen, Kaninchen, Ratten) betroffen werden, begünstigt durch verminderten Salzsäuregehalt im Magen.
Krankheitserscheinungen können fehlen. Bei Massenbefall kann es jedoch zu wässrigen Durchfällen mit Störung des Nährstofftransportes im Körper kommen.

Giardien sind winzige einzellige Parasiten
(Größe = ca. 1/100 mm)
Giardia-Arten existieren als bewegliche Trophozyten (siehe Abbildung - mit 2 elliptischen Kernen und 8 Geißeln) und als nichtbewegliche Zysten orale Aufnahme (über Mund oder Maul) übertragen und periodisch über den Kot abgegeben. Die Trophozoiten leben im Dünndarm und halten sich mit Hilfe einer Haftscheibe und durch Schlagen der Geißeln am Darm fest. Die Vermehrung erfolgt durch Zweiteilung. Sie bleiben in der Außenwelt unter günstigen Bedingunen mindestens 3 Wochen lang infektiös. Vermutlich wird jede Tierart von einer eigenen Unterart der Giardien befallen.

Der Mensch kann sich durch Schmutz- und Schmierinfektion oder durch verunreinigtes Wasser mit Giardien-Zysten aus dem Hunde- oder Katzenkot anstecken.

Über die Ansteckung beim Igel mit Giardien und etwaige Krankheitsanzeichen gibt es auch in der Tierärztlichen Hochschule in Hannover noch keine Erkenntnisse. Eine Infektion über Hundekot ist auch vor allem bei Igeln in der Großstadt wahrscheinlich (vermehrte Hundehaltung) und bei Massenbefall ist auch beim Igel mit wässrigem und schleimigem Durchfall zu rechnen, der gelegentlich mit Blut durchsetzt sein kann.

Bei Untersuchungen von 1585 Igel-Kotproben in den Jahren 1984 - 1989 hat Dr, Michael Löwenstein (Veterinärmedizinische Universität Wien) allerdings nur bei 8 Proben (das entspricht 0,5%) Giardien festgestellt.