Komitee für Igelschutz e.V. Hamburg
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Der igelfreundliche Garten

Der Chemie-Einsatz in der Landwirtschaft und die Intensiv-Nutzung, die Umweltverschmutzung und der Sauberkeitsfanatismus der Groß- und Kleingärtner in Stadt und Land sind als Ursachen für den Verlust von Lebensräumen für Pflanzen und Tiere anzusehen, sind die Ursachen für den Nahrungsmangel der Wildtiere und Kleinstlebewesen und bedeuten Artenvernichtung. In der Berliner Igel Gazette Nr. 12 sagt W. Dietzen von der Wildbiologischen Gesellschaft: "Wenn wir bedenken, dass im Jahre 1984 bereits 47 % unserer Säugetiere, 38 % unserer Vögel und zahlreiche Arten der noch verbleibenden Tiergruppen ausgestorben oder aktuell gefährdet waren, kann die Prognose für das Jahr 2000 nicht gut aussehen".
Wissenschaftler haben festgestellt, dass stündlich eine Tier- oder Pflanzenart unwiederbringlich ausstirbt.

Hat unsere Natur überhaupt noch eine Chance und was können wir dazu beitragen ?
Eine Alternative wäre das Umdenken unddie Bewusstseinsänderung jedes Einzelnen. Vielleicht kurzfristig keine Lösung, aber eine Chance !

Wir können sie nutzen, indem wir etwas tun. Wir können die Natur in unsere Gärten zurückholen. Wir können Paradiese für kleine Lebewesen schaffen, z.B. einen naturnahen, igelfreundlichen Garten, in dem in eine ungestört sich entwickelnde Natur eine ineinandergreifende Nahrungskette wachsen läßt, die unseren geln und auch anderen Tieren eine Lebensgrundlage gibt, die draußen in unserer strapazierten Umwelt nicht mehr vorhanden ist.

Feld, Wald und Wiesen und alte Gärten mit ihrer artenreichen Fauna und Flora waren früher Lebensbasis für allerlei kleine Lebewesen. Pflanzen und Tiere haben sich seit Jahrmillionen miteinander eingerichtet. Insekten leben von, in und auf Gräsern, Kräutern, Wildblumen und Pflanzen, auf blühenden Büschen, Hecken und heimischen Sträuchern, die durch ihre Schönheit erfreuten. Sie dienten vielen Gartentieren durch Blüten und Früchte als Nahrungsquelle. Wo gibt es noch die schönen alten Bauerngärten mit ihrer bunten Blumenpracht, wo die ungepflasterte Dorfstrasse, an deren Rand Königskerze und Schafgarbe blühen, wo die Wiesenglockenblume zwischen Gehsteig und Gartenzaun, wo den Dorfteich als Lebensraum für Frösche und Insekten, wo den Bach, den alte Kopfweiden säumen?

Auch unser Igel wird nicht mehr satt. Die Herbizid-Dusche in Feld und Flur vergiftet gerade die Beutetiere, die er als Insektenfresser zum Überleben benötigt, die Tausendfüßler, die Rüsselkäfer, Raupen und Spinnen. Nahrungsmangel läßt ihn den Rückzug geradewegs in unsere Hausgärten antreten, wo ihn jedoch meistens eine ähnliche Situation erwartet. Der Saubermanngarten mit sterilem Rasen, der kurzgeschnitten mitsamt Larven und Käfern in der Mülltonne verschwindet. Gerodet wurde auch die Laubhecke mit Nistplatz und Winterlaub. Eine Mauer versperrt seinen Weg - keine Durchschlupfmöglichkeit für unseren Freund ! Hinter der Mauer stehen teure exotische Pflanzen: Zypressen, Mahonien und Omoricafichten, die mit Gift bespritzt werden gegen Pilz und Laus. Die kurzstämmige Obstplantage des Hausherrn wird mehrmals jährlich mit Giftschwaden für Äpfel mit glatter Haut behandelt. Hier kann kein Vogel nisten, hier findet kein Igel Nahrung und Unterschlupf.

Man könnte nun denken, dass es schwierig, ja fast unmöglich erscheint, diese erschreckende Entwicklung wieder rückgängig zu machen. Mit der Gestaltung eines igelfreundlichen Gartens könnnen wir den ersten Schritt tun !
Dazu müssen wir überlegen, mit welchen Maßnahmen wir die heimische Natur in unsere Gärten zurückholen, wie wir den Weg zum Wildpflanzengarten finden, denn einheimische Sträucher und Büsche, Wildblumen und Kräuter sind die Voraussetzung zur naturnahen Gartengestaltung. Sie sind die Lebensgrundlage für die verschiedenen Gartentiere. Nur durch sie bauen sich Nahrungsketten für Insekten, Vögel und Kleinsäuger wie Igel auf.
Fremdländische Gewächse, die so genannten Exoten unterbrechen diese notwendige Kette, weil sie unangepaßt in unserer Natur keinen Nahrungswert für die Tiere haben.
Die Früchte dieser Pflanzen sind für unsere Tiere ungenießbar und daher wertlos.

Entscheiden wir uns daher bei der Gestaltung unseres Gartens für die wertvollen Gewächse, für Hagebutte, Wildrosen, Eberesche, Weißdorn, Holunder und Berberitze. So haben wir bis in den Winter leuchtende nahrhafte Beeren. Geschickt in unserem Garten angeordnet, wirken sie dekorativ und lieblich und sind unempfindlicher, billiger und gesünder ! Sie stecken voller Leben, weil sich Insekten und Vögel auf ihnen versammeln.

Jürgen Dahl gibt in seinem Buch "Wildpflanzen im Garten" Ratschläge, mit einzelnen Pflanzen und Sträuchern zu beginnen und zwischen das bereits Vorhandene, Pflanzengruppen und Wildblumen anzuordnen und mit einer Moderecke oder einem Bottich mit Wasserpflanzen Frösche und Libellen anzulocken. Dann schafft man die entsprechenden Voraussetzungen und alles findet sich von selbst wieder ein.

Wer einen igelfreundlichen Garten gestalten will, sollte vorher überlegen, welche indivuduellen Möglichkeiten sich in seinem Garten ergeben.
Wildpflanzengemeinschaften und insbesondere die Anlage von Kleinfeuchtgebieten oder einem Teich als Lebensquelle gehören dazu. Dabei sollte die jeweilige Bodenbeschaffenheit berücksichtigt werden. Die Wildsträucher und Gehölze wie Weißdorn und Schlehe, Hartriegel und Faulbaum werden zueinander einzeln und nach Art und Größe gesetzt. Hier sollten auch Bodendecker nicht vergessen werden, die unseren Igeln und anderen Keinsäugern, wie der nützlichen Spitzmaus und der Waldmaus, Schutz und Unterschkupf bieten. Wichtig in einen naturnahen Garten ist das Anlegen einer Wildblumenwiese, zumindest in einem Teilbereich des Rasens. Eine Wildblumen-Samenmischung erhält man im Handel. Kamille, Margerite, Kornblume, Lichtnelke, Schafgarbe und Bärenklau sollte man einsäen. Diese Wildblumen mit ihren Pollen und dem Nektar sind wichtig für die Rückkehr der Bienen, Hummeln, Käfer, Gliederfüßler aller Art. Eine Brennesselecke für den schönen Admiral sowie für den Tagfalter dient als Futterpflanze und ist daher besonders wichtig. Bei Vorhandensein von Sommerflieder, Dost und Flockenblume sowie Wiesenschaumkraut findet sich vielleicht auch einer der anderen traumhaft schönen Schmetterlinge ein.

Diese Nützlinge sind im Rahmen einer ökologischen Funktion Nahrung und Beutetiere für die Insektenfresser, zu denen auch unser Igel gehört. Hat man einen uferbegrünten Teich in Betracht gezogen, sollte eine Flachuferzone dem Igel die Möglichkeit bieten, sich an Land zu retten, wenn er einmal ins Wasser gefallen ist. Statt Draht, Latten oder Mauer als Grundstücksbegrenzung sollte eine dicht wachsende Hecke vorgezogen werden, die als natürlicher Sichtschutz und grüner Blickfang auch Nistmöglichkeiten bietet und dem Igel Durchschlüpfe zum Nachbargarten gewährt. Wenn wir unseren Garten igelfreundlich gestalten wollen, dürfen wir auf einen locker angelegten Komposthaufen nicht verzichten. Er ist Lebensraum für viele Würmer und Käfer, ist Teil einer Nahrungskette im Gartenbiotop und beherbergt eine Vielzahl von Kleinstkebewesen als Nahrung für Vögel und Igel. Nicht zuletzt dient ein noch so kleiner Komposthaufen, unter den zusätzlich eine Kiste miteinem Eingang von 9 x 9 cm gesetzt werden kann, unseren Igeln als das beste natürliche Winterquartier ! Reisig und Laub der Wildsträucher und die Holzabfälle, die nicht auf dem Kompost verwendet werden, können in Gartenecken unter Busch oder Strauch aufgeschichtet und locker abgedeckt den Igeln als Sommerschlafplatz oder als Unterschlupf für ihre Kinderstube angeboten werden !

Unsere Bemühungen, Tieren in unserem Garten einen Lebensraum zu schaffen, werden durch Anwendung von chemischen Pflanzenschutzmitteln zunichte gemacht ! Beim vollständigen Verzicht darauf sollte hier eine Abstimmung mit den Nachbarn angestrebt und erreicht werden. Boden, Wasser und Luft bleiben sauberer, wenn wir mit biologisch einwandfreien Mitteln arbeiten, die inzwischen überall im Handel erhältlich sind. In einem naturnahen Garten sind auch Blattläuse keine Schädlinge. Sie haben ihre Daseinsberechtigung in einer der wichtigsten Nahrungsketten. Die Meisen verfüttern sie an ihren Nachwuchs und ohne sie müßte der niedliche Marienkäfer verhungern.

Hat man nun begonnen, den Garten mit heimischen Sträuchern und Blumen zu bepflanzen, mit Wildblumen zu verschönern und mit einem Teich zu ergänzen, sollte man ihn einige Zeit sich selbst überlassen, ohne in Panik wegen eventueller "Unordnung" zu geraten. Er muß seine Zeit zur Entwicklung erhalten, bevor man ordnend und weitergestaltend eingreift.

Jürgen Dahl sagt in seinem Buch: "Ein richtiger Garten ist ständig in Verwandlung begriffen. Wenn man versucht, ihn naturnah und igelfreundlich zu gestalten, dann wird es noch häufig zu Veränderungen kommen. Jede dieser Veränderungen kann dem Ziel dienen, der Natur wieder eine Chance zu geben. Nicht die totale Verwilderung soll angestrebt werden, sondern die Möglichkeit zur Entfaltung der Tier- und Pflanzenwelt in ihrer ureigensten Vielfalt und Schönheit, die wir wieder erkennen lernen müssen, die Möglichkeit zur Gestaltung und Entwicklung eines natürlichen Lebensraumes, eines kleinen Paradieses, in dem sich nicht nur der Igel wohlfühlt, sondern auch der Mensch".

Literaturhinweise:
Der ökologische Garten, Handbuch BUND Bayern
"Die Berliner Igel-Gazette"
Wildpflanzen im Garten, Jürgen Dahl
Verlag Gräfe und Unzer